Mit einer großen Kundgebung auf dem Münchner Karlsplatz ist am 3. Juli 2016 das dreitägige ChristenTreffen »Miteinander für Europa« zu Ende gegangen. Vor rund 5.000 Zuschauern riefen die beiden obersten Repräsentanten der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland, der Münchner Kardinal Reinhard Marx und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, zur Einheit auf. Europa erwarte von den Kirchen, dass sie gemeinsam Christus bezeugen, sagte Marx, der Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz ist: »Wir gehen gemeinsam weiter voran, trotz mancher Unterschiede.« Auch am 500. Reformationsjubiläum solle deutlich werden: »Diese Christen kriegen wir nicht mehr auseinander. Die gehören zusammen«, betonte Marx. Der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm fügte an, dass zum ersten Mal in der Geschichte die katholische und die evangelische Kirche das Reformationsjubiläum gemeinsam begehen. Die gelebte Ökumene sei heute so stark, man müsse nur seine Augen aufmachen, betonte der evangelische Theologe.
Hochkarätige Besetzung
An dem hochkarätig besetzten ökumenischen Kongress nahmen auch Papst Franziskus und der Ökumenische Patriarch Bartholomäus I. per Videobotschaft teil. Franziskus warnte darin vor neuen sichtbaren und unsichtbaren Mauern, die Europa zu spalten drohten. Gerade die nicht sichtbaren Mauern wie Angst, aggressive Töne in der Politik und gegenüber Menschen aus anderen Ländern würden immer größer. Bartholomäus, das Ehrenoberhaupt der orthodoxen Weltkirche, sagte, die Welt stehe vor »beispiellosen Herausforderungen, die uns zwingen, vereint zu sein, zusammenzuarbeiten und einander zu unterstützen«.
Bei der Abschlusskundgebung traten mit Kurienkardinal Kurt Koch der »Ökumene-Minister« des Papstes sowie der württembergische evangelische Landesbischof Frank Otfried July und der rumänisch-orthodoxe Metropolit Serafim auf. Bischof July, der auch Vizepräsident des Lutherischen Weltbundes ist, forderte schnellere Fortschritte in der Frage nach einem gemeinsamen Abendmahl. Vor allem gemischt- konfessionelle Ehepaare litten unter dieser Trennung am »Tisch des Herrn«. Kurienkardinal Koch hob hervor, dass die Christen unterschiedlicher Konfessionen in den vergangenen Jahrenhätten. Dadurch seien sie sich nähergekommen, die Geschwisterlichkeit unter ihnen sei gewachsen und ein »weltweites Netz der Freundschaft« entstanden. Metropolit Serafim wies auf die großen spirituellen Verbindungen unter den Christen hin. Die geistigen Gemeinschaften hätten viel für die wachsende Einheit der Kirchen geleistet.
Kardinal Walter Kasper, früherer Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, sagte am Rande des Kongresses dem Evangelischen Pressedienst (epd), dass 500 Jahre Trennung zwischen katholischer und evangelischer Kirche genug seien. Beim gemeinsamen Reformationsgedenken im kommenden Jahr wollten die Kirchen daher für die große Annäherung in den vergangenen Jahrzehnten danken. »Zweitens sollten wir uns die Hand geben und sagen: ’Wir bleiben beieinander und wir gehen weiter voran Richtung Einheit’«, forderte der katholische Theologe. Die christliche Vielfalt müsse als Bereicherung gesehen werden.
Bedford-Strom sagte am Wochenende mit Blick auf das 500. Reformationsjubiläum, er sei froh, dass die katholische und evangelische Kirche das Gedenkjahr 2017 gemeinsam begehen. Denn es gehe nicht wie früher um eine »Selbstbespiegelung der Konfessionen« oder um eine Verehrung eines »Helden Martin Luther«, sondern darum, gemeinsam Christus wieder ins Zentrum zu rücken. Die Kirchen dürften sich nicht voneinander abgrenzen, sondern müssten gemeinsam auf Jesus Christus hinweisen – genauso wie es der Reformator Martin Luther gewollt habe, mahnte der Ratsvorsitzende an.

Bedeutung Europas betont
Zu Beginn des Treffens hatte Bedford-Strohm sich bereits zum Thema EU geäußert. Er zeigte sich dabei überzeugt, dass die Kirchen in der Pflicht stehen, Europa wieder zusammenzuführen. Die Europäische Union (EU) sei nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern eine Union, in deren Zentrum die Menschenwürde stehe, sagte der bayerische Landesbischof am 30. Juni. Die Flüchtlingskrise oder die Brexit-Entscheidung zeigten, dass Europa polarisiere und viele Menschen nicht erreiche. Die EU und ihre politischen Institutionen müssten sich daher entsprechend verändern, es brauche eine neue geistliche Kraft. Die Kirchen müssten bei diesem Prozess helfen, forderte Bedford-Strohm.
Der Sprecher des deutschen Koordinationsteams, Gerhard Proß, sagte am 30. Juni, die Initiative »Miteinander für Europa« sei ein Modell für die kriselnde EU. Es gehe um Einheit, nicht um Gleichmacherei. Die Unterschiede, also die verschiedenen Kulturen, Nationen und Sprachen, seien keine Gegensätze, sondern eine Bereicherung – für die Kirche wie für die EU. Maria Voce, Präsidentin der Fokolar-Bewegung und Mitglied des Internationalen Leitungskomitees der Initiative, sagte, es sei gemeinsame Aufgabe, für den Frieden einzutreten. Es gehe mehr Kraft aus, wenn man gemeinsam agiere – das gelte für die Christen und auch für die politisch Verantwortlichen.
In der Initiative »Miteinander für Europa« sind evangelische, katholische, anglikanische, orthodoxe und freikirchliche Christen aus ganz Europa zusammengeschlossen. Beteiligte Gemeinschaften sind unter anderem die Fokolar-Bewegung, die katholisch geprägte Laienorganisation Sant’Egidio oder der Christliche Verein Junger Menschen (CVJM). Rund 1.700 Teilnehmer aus rund 300 christlichen Gemeinschaften und Bewegungen hatten sich seit Donnerstag in München zu Diskussionen und Workshops getroffen. Mit dabei war auch der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Olav Fykse Tveit.

(epd)