Als in Österreich der gesellschaftliche Liberalismus, zumeist verbunden mit einer nationalen Ideologie, auch zu vereinzelten Übertritten zur evangelischen Kirche führte, wurde dies vom „Evangelischen Bund zur Wahrung der deutsch-protestantischen Interessen“ ganz im Sinne seines Programms wahrgenommen; zu einer konzertierten Aktion führte das aber nicht.
Die Sachlage änderte sich, als sich 1897/1898, nun endgültig im politisch nationalen Fahrwasser, der Alldeutsche Georg Schönerer die antiklerikale Los von Rom-Bewegung auf seine Fahnen schrieb. Ab 1898 kam es zu Massenübertritten; die Quellen gehen von rund 75.000 Eintritten in die evangelische Kirche in der österreichischen Reichshälfte („Cisleithaniens“) Österreich-Ungarns bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges aus. Für das heutige Österreich spricht die Literatur von nicht ganz 29.000 Eintritten. Die meisten der Eintretenden kamen dabei aus der römisch-katholischen Kirche. Das interkonfessionelle Klima wurde dadurch vergiftet, noch dazu, da römisch-katholische Stellen Einrichtungen der evangelischen Kirche, die Person Luthers und das reformatorische Gedankengut in schwerster Weise angriffen. Die österreichische Generalsynode 1901 wies diese Angriffe zurück. Die Folge dieser Eintritte war jedoch ein Aufschwung evangelischen Lebens, sehr oft nicht durch die Amtskirche gesteuert. Aus Privatinitiativen entwickelten sich junge evangelische Gemeinschaften und Zirkel, die sich oft selbst um geistliche Betreuung bemühten. Diesen Bedarf nahm die Österreich-Arbeit des reichsdeutschen Evangelischen Bundes unter Federführung des Zwickauer Superintendenten Friedrich Meyer und des Pfarrers Paul Braeunlich auf, und zwar durch Entsendung sogenannter Los von Rom-Vikare, deren Arbeit sehr häufig zur Gründung neuer evangelischer Pfarrgemeinden führte.
Bestanden auf dem Gebiet des heutigen Österreich im Jahr 1900 49 evangelische Pfarrgemeinden, so wurden zwischen 1900 und 1918 weitere 21 gegründet; die meisten im Zuge der Los von Rom- Bewegung. Dazu kamen zahlreiche neugegründete Tochtergemeinden und Predigtstationen.
Die Tätigkeit des reichsdeutschen Evangelischen Bundes in Österreich führte bald zu einem Interesse an einer geordneten Tätigkeit des Evangelischen Bundes in den neuen Gemeinden. Im Jahr 1903 kam es deshalb zur Gründung des „Deutsch-evangelischen Bundes für die Ostmark“. Zum ersten Obmann wurde Pfarrer Julius Antonius aus Wien gewählt. Zwar wurde der Evangelische Bund in Österreich als eigenständiger Verein ohne rechtlichen und strukturellen Zusammenhang mit dem reichsdeutschen Evangelischen Bund konstituiert, allerdings verstand man sich als Teil der Arbeit des Evangelischen Bundes. In weiterer Folge begann man, die Österreich-Arbeit des reichsdeutschen Evangelischen Bundes in Abstimmung mit diesem zu koordinieren, systematisch ein Vereinswesen in Österreich zu organisieren und vor allem den Aufbau der jungen österreichischen evangelischen Pfarrgemeinden im Bereich des geistlichen Gemeindeaufbaus durch Vortragstätigkeit und Verteilung von Schriften zu unterstützen, während die Hauptaufgabe des Gustav-Adolf-Vereins in der Schaffung kirchlicher Infrastruktur bestand. Mit dieser sogenannten Evangelischen Bewegung stellte man dem antiklerikalen, rein politisch verstandenen Gedankengut der alldeutschen Los von Rom-Bewegung bewusst eine kirchliche Dimension gegenüber. Dabei ist auffällig, dass sich der Protestantismus als modern darstellte, nicht nur, was die Gestaltung des gottesdienstlichen und gemeindlichen Lebens betrifft, sondern was zum Beispiel auch die Rolle der Frauen angeht.
Im Jahr 1910, als die Los von Rom-Bewegung schon ihre politische Stoßkraft verloren hatte, konnte der ehemalige Los von Rom-Vikar und Pfarrer von Mährisch-Schönberg/Schumperk Friedrich Ulrich, der später weder durch konfessionelle Sensibilität noch durch politische Offenheit auffiel, die Hauptaufgabe der Evangelischen Bewegung folgendermaßen bestimmen: „Nicht Übertritte erzielen, ist unsere eigentliche Arbeit, sondern die Übergetretenen innerlich neu gestalten.“ Ulrich beendet seine Flugschrift „Unsere Neuprotestanten und was wir ihnen schuldig sind“, aus der obiges Zitat entnommen ist, in ganz ungewohnter Weise: „Was sind wir unsern Neuprotestanten schuldig? Drei Worte seien … meine Antwort darauf: Liebe deinen Nächsten!“