Verehrter Herr Bischof Samiec,
verehrte Frau Präsidentin Radacz,
liebe Schwestern und Brüder!

Heute werden in der Evangelisch-Augsburgischen Kirche Polens erstmals Frauen zu Pfarrerinnen ordiniert. Dies ist ein großes Geschenk, das Ihre Kirche in Zukunft ungemein bereichern wird.

Bereits am 16. Oktober 2021 hat Ihre Synode mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit die Frauenordination beschlossen. Heute nun wird sie zum ersten Mal vollzogen. Ich gratuliere Ihnen dazu als Präsident des Evangelischen Bundes von Herzen. Im Rahmen der Internationalen Theologinnenkonferenzen der letzten Jahre hat der Evangelische Bund gemeinsam mit dem Gustav-Adolf-Werk den geistlichen und wissenschaftlichen Austausch gerade auch mit Frauen Ihrer Kirche gepflegt – und war so maßgeblich an dem Prozess beteiligt, der nun zur Ordination von Frauen zu Pfarrerinnen geführt hat. Namentlich und voller Dankbarkeit erwähne ich seitens des Evangelischen Bundes stellvertretend: Frau Rosemarie Barth, Frau Helga Taeger, Frau Susanne Wahl und Frau Sabine Ost, die sich hier über Jahre hinweg engagiert haben und engagieren. Die Dokumentationen dieser Tagungen lassen gut erkennen, wie mühsam der Weg zum Ziel der Frauenordination war!

Für das evangelische Verständnis des Pfarrberufs stellt die reformatorische Theologie den entscheidenden Einschnitt dar. Denn sie versteht den Dienst derer, die in der Kirche öffentlich predigen und die Sakramente reichen, im Zusammenhang des Priestertums aller Gläubigen: Alle getauften Christinnen und Christen, so Martin Luther, sind durch die Taufe und den Glauben „Könige und Priester“. Insofern Frauen und Männer durch die Taufe die gleiche Vollmacht zum Predigtamt haben, können Geschlechtsunterschiede in dieser Sache keine grundlegende Bedeutung mehr besitzen. „Denn alle, welche den Glauben haben… das sind rechte Priester… Darum sind alle Christenmänner Priester, alle Frauen Priesterinnen, jung oder alt, Herr oder Knecht, Herrin oder Magd, Gelehrter oder Laie. Hier ist kein Unterschied“ (M. Luther, Ein Sermon von dem neuen Testament, 1520).

Der Reformator beruft sich dabei auf die Tauftheologie des Apostels Paulus, der im Galaterbrief betont: „Ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt eins in Christus Jesus“ (Galater 3,26f.).
Gott unterscheidet die Geschlechter, natürlich, denn er hat seine Menschen unterschiedlich geschaffen. Aber eine Rangordnung kennt er nicht. Es geht somit um eine beziehungsreiche Differenzkultur innerhalb der Kirche Jesu Christi.

Entsprechend wird auch Ihre Kirche durch die unterschiedlichen Ausdrucksformen von Frauen und Männern im geistlichen Amt an Charisma gewinnen. Denn Frauen werden dem ordinierten Amt in Ihrer Kirche ein vielfältigeres Gesicht geben und den Bezug zur Lebenswelt stärken. Nicht mit einer besonders weiblichen Amtsführung, die alle Pfarrerinnen gleichermaßen auszeichnet, sondern durch die Diversität ihrer Lebens- und Sozialisationserfahrungen, ihrer theologischen Impulse, Fähigkeiten und Interessen, ihrer Lebensentwürfe und Berufsbilder.
Erst wenn wir auch im geistlichen Amt Vielfalt geschwisterlich leben und mit dem Reichtum der Vielfalt konstruktiv umgehen, erfüllen wir den Auftrag Jesu Christi angemessen.

In diesem Sinn wünsche ich Ihrer Kirche Kreativität und Phantasie, v.a. aber Freude über das Geschenk der Frauenordination, und in allem Gottes reichen Segen,

Ihr
Christian Schad

Ansprechpartner

Dr. h.c. Christian Schad
Präsident Evangelischer Bund e.V.