Kurienkardinal Kurt Koch erhofft sich vom Reformationsgedenkjahr 2017 einen neuen Schub für die Ökumene. Die Christenheit dürfe sich nicht abfinden “mit der zutiefst abnormalen Situation der Spaltung in verschiedene Kirchen”, sagte der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates am Donnerstagabend in München. Das Jahr 2017 solle daher “im Dreiklang aus Buße, Dankbarkeit und Hoffnung” ökumenisch begangen werden. Katholiken und Lutheraner hätten “Grund genug Buße zu tun” für “die Böswilligkeiten und Verletzungen, die sie sich in den vergangenen 500 Jahren angetan haben”, sagte der “Ökumeneminister” des Papstes.
In einem zweiten Schritt könnten sich beide Seiten freuen über die in den vergangenen Jahrzehnten erzielten Fortschritte im ökumenischen Dialog. Dazu zähle etwa die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre, die die katholische Kirche und der Lutherische Weltbund 1999 in Augsburg unterschrieben hatten. Davon ausgehend müssten aber “weitere Schritte zur Einheit” gewagt werden. So wäre eine “weitere gemeinsame Erklärung über Kirche, Eucharistie und Amt” ein “entscheidender Schritt auf dem Weg zur vollen Kirchengemeinschaft”. Koch machte zugleich deutlich, dass bis dahin noch ein langer Weg zu gehen sei. Die ökumenische Bewegung müsse “umkehren zu einer leidenschaftlichen Suche nach Einheit”.
Das postmoderne Denken im Gefolge eines “pluralistischen und relativistischen Zeitgeistes” habe inzwischen weithin Eingang gefunden in die Ökumene der Gegenwart, bedauerte der Kardinal. Einheit werde demzufolge “höchstens noch als wechselseitige Anerkennung von Vielfalt und Verschiedenheit” verstanden. Man dürfe sich aber nicht “mit der Wertschätzung des Pluralismus” begnügen. Dies würde eine Abkehr vom Glaubensbekenntnis der Kirche in den ersten beiden Jahrhunderten nach Christus bedeuten.
Koch sagte, die Frage nach dem Wesen der Kirche müsse nun Priorität haben im weiteren ökumenischen Gespräch. Er erhoffe sich, dass 2017 dazu weitere Klärungen bringe. Dabei gelte es die Frage zu klären, wie sich die Reformation zur gesamten Tradition der Kirche verhalte. Immerhin teilten Katholiken und Lutheraner vor dem 16. Jahrhundert eine 1.500 Jahre lange gemeinsame Geschichte. Man könne daher die Reformation nicht als eine “Geburtsstunde der Kirche der Freiheit” begreifen und feiern. Schließlich sei das Anliegen der Reformation eine “Reform der einen Kirche an Haupt und Gliedern” gewesen. Dieses Ziel habe sie aber nicht erreicht. Die Entwicklung reformatorischer Kirchen müsse daher historisch “als Notlösung betrachtet werden”. Der Kurienkardinal sagte, die Reformation könne auf die Reform der Kirche auch keinen Exklusivanspruch erheben. Reformbewegungen habe es schon vor dem 16. Jahrhundert und auch später gegeben, wobei der wohl “radikalste Reformer” Franz von Assisi gewesen sei, allerdings “in Einheit mit dem Papst”. Die katholische Kirche habe sich zuletzt beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) zu ihrer Reformbedürftigkeit bekannt und mit der Wiederentdeckung der zentralen Bedeutung des Wortes Gottes sowie des gemeinsamen Priestertums aller Getauften wichtige Anliegen Martin Luthers aufgegriffen. Auch protestantische Kirchen bedürften heute der Reform.
(kna)