Prof. Dr. Thomas K. Kuhn und Prof. Dr. Gury Schneider-Ludorff in Greifswald

Prof. Dr. Thomas K. Kuhn und Prof. Dr. Gury Schneider-Ludorff

Kirchen sollten neue Medien nicht nur nutzen, sondern auch kritisch prüfen. Dies fordert Thomas K. Kuhn, Professor für Kirchengeschichte an der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald.
Die 107. Generalversammlung des Evangelischen Bundes tagt vom 08. bis 11. Oktober 2015 in Kooperation mit der Theologischen Fakultät der dortigen Universität. Die Präsidentin des Evangelischen Bundes, Gury Schneider-Ludorff, Professorin für Kirchengeschichte in Neuendettelsau, eröffnete am Donnerstagabend die Tagung zum Thema „Bibel, Bilder, Botschaften. Was Menschen (be)trifft“ im Pommerschen Landesmuseum. Im Gottesdienst im Greifswalder Dom St. Nikolai hatte zuvor Hans-Jürgen Abromeit, Bischof in Greifswald und promovierter Theologe, in seiner Predigt die mediale Berichterstattung über die Flüchtlinge näher beleuchtet und dazu aufgerufen „in unserem Land Heimat (zu) schaffen für viele Arme, die als Fremde zu uns kommen, dann sind wir in der Spur dieses Jesus von Nazareth, den wir als Sohn Gottes bekennen. Und unser Land und unsere Kirche wird sich wohl auch unter dem Zustrom vieler Menschen verändern – wenn wir denn bereit sind auch unsere Kirchentüren auf zu machen und viele der Zuwanderer bei uns aufzunehmen.“
Der Freitag begann mit Fachvorträgen im Audimax der Universität, die von Bischof Dr. Sigurd Rink, Berlin, moderiert wurden. Anhand historischer Flugblätter zeigte der Greifswalder Kirchenhistoriker Thomas K. Kuhn Kuhn die Vermittlung reformatorischen Denkens durch bildhafte Darstellungen theologischer Überzeugungen auf. Dabei verwies er darauf, dass die Wertschätzung des Buches vor allem von der Frauen-Mystik bereits seit dem Mittelalter gepflegt wurde. Etwa bei Gertrud von Helfta im frühen 14. Jahrhundert, die das Buch mit der Kommunion verglich, wurden Bücher als technisches Instrument zur Erlangung der Gnade gesehen. In Analogie zum Vorgang des Wein-Kelterns wurde der Buchdruck mittels der Druckerpresse als Herstellung von Heilsmitteln angesehen. Das theologische Konzept des Priestertums aller Glaubenden erreichte auch mediengeschichtlich in der Reformation neue Plausibilität. Die Sekundärmedien Flugschriften und Bücher ermöglichten die Kommunikation über größere Entfernungen hinweg und machten die Urteilsbildung in Glaubensfragen auch außerhalb des Klerus möglich. Die Demokratisierung des Wissens wurde aber auch von protestantischer Seite in der Kirchengeschichte nicht immer positiv bewertet.
Der Kunsthistoriker und Theologe Reiner Marquard, Honorarprofessor der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, arbeitete das theologische Bildprogramm in den Kreuzigungsdarstellungen Matthias Grünewald heraus. Im Vergleich mit Albrecht Dürer und Lucas Cranach deutete er Grünewalds Bildwerk als verdichtete reformatorische Erfahrung. Marquard zeigte, wie etwa die detaillierte Darstellung der Symptome von kranken Menschen im Isenheimer Altar und anderer Kreuzigungsdarstellungen das Augenmerk auf die Todverfallenheit des Menschen lenkt. Damit setze Grünewald malerisch um, was Luther in seiner Kreuzestheologie und später in den Invokavitpredigten ausführte. Marquard wies anhand der Liste des Inventars von Grünewald nach, dass dieser im Besitz von frühen Lutherschriften gewesen sein muss.
In Workshops hatten die 125 Teilnehmenden aus dem ganzen Bundesgebiet Gelegenheit, das Tagungsthema in Workshops zu vertiefen. Andreas Ruwe, Lektor für Hebräisch an der Universität Greifswald, referierte zu „ Bibel und Übersetzung: Alternativen zur „Lutherbibel“?“. Der ehemalige bayerische Landesbischof Dr. Johannes Friedrich aus Spalt bei Nürnberg beleuchtete die Frage „Bibel und Kirchenleitung. Die Rolle der Schrift für kirchliche Entscheidungen“. Über das Verhältnis von „Bibel und Kunst“ referierte der emeritierte Pfarrer, Politiker und promovierte Theologe Norbert Buske aus Greifswald. Und die vielfältigen Bezüge von „Film und Bibel“ zeigte Roland Rosenstock, Professor für Praktische Theologie und Medienpädagogik an der Universität Greifswald, auf.
Der Samstagvormittag dient der Auseinandersetzung mit junger evangelischer Theologie. Ulrike Swoboda, Wien, Thorsten Kirschner, Berlin und Fabian Kunze, Langenburg, stellen den Tagungsteilnehmenden ihre aktuellen wissenschaftlichen Studien- und Doktorarbeiten vor.

Ksenija Auksutat