„Dem Seelenfünklein auf der Spur“ (1.-4.11.2018)

Es war noch recht früh am Morgen des 1. Nov., als sich 27 Teilnehmer der Studienreise um 7.30 Uhr am Bahnhof in Heilsbronn nahe der Geschäftsstelle des Evangelischen Bundes Bayern zur Abfahrt mit dem Bus nach Mittel- und Ostdeutschland trafen. Durch zwei geplante Zustiege in Bayreuth und bei Hof erhöhte sich die Zahl der Mitreisenden auf 35, die unter der bewährten Reiseleitung und inhaltlich-konzeptionellen Organisation des theologischen Referenten des Evangelischen Bundes Bayern, Dr. Moritz Fischer und von Dr. Peter Hirschberg, Referent am Evangelischen Bildungszentrum Bad Alexandersbad in Oberfranken, auf den Spuren der Christlichen, speziell Evangelischen Mystik unterwegs waren.

Noch auf der Fahrt gab uns Dr. M. Fischer mit einem Referat eine Einführung in Begriff und Bedeutung von „Mystik“ für uns heute – „zwischen Dionysius Aeropagita und Dorothee Sölle“. Die erste Station war Erfurt, die thüringische Landeshauptstadt, in der Luther studiert hatte (1501 – 1505) und ins Kloster eingetreten war. Auf zwei Stadtführungen wurden uns wichtige Informationen über den Reformator und über Meister Eckhart nahegebracht. Vor allem der Mystiker Meister Eckhart (um 1280 bis 1328) wurde uns an einer seiner Wirkungsstätten, der Dominikanerkirche, sehr lebendig vorgestellt. Am Abend wurden dann die beiden Erfurter Geistesgrößen Martin Luther und Meister Eckhart in einem Vortrag durch Dr. Hirschberg sehr gekonnt miteinander in Beziehung gebracht: Luther hat Meister Eckhart gekannt und geschätzt, in seiner Theologie jedoch von der Rechtfertigungslehre her auch umgedeutet und somit nicht im umfassenden Sinn aufgenommen. Eine lebhafte Diskussion schloss sich an, die weitere Vertiefungen und Erläuterungen brachte.

Nach der Übernachtung im Gästehaus der Ursulinen und dem Frühstück musste schon wieder gepackt werden. Vor der Abfahrt untersuchte aber noch ein Vortrag von Prof. Dr. Dietmar Mieth (Tübingen und Erfurt) den Einfluss der Mystik Meister Eckharts auf Luther. Er stellte fest, dass eine sehr intensive Kenntnis Meister Eckharts bei Luther zwar nicht nachgewiesen werden kann, dass Luther aber doch einige wichtige Gedanken des Mystikers gekannt haben muss. Insgesamt lässt sich herausarbeiten, dass der Reformator in Weihnachtspredigten den Gedanken der „Gottesgeburt in der Seele“, den er als Zitat Eckharts im Taulerdruck von 1508 kennengelernt hatte, positiv aufgreifen und vertiefen konnte.

Am frühen Nachmittag ging es weiter nach Herrnhut, zur „Brüdergemeine“ von Nikolaus Graf von Zinzendorf, wo wir leider erst nach Einbruch der Dunkelheit eintrafen, so dass ein Besuch des sehenswerten „Gottesackers“ (Friedhof) der Brüdergemeine erst am nächsten Morgen stattfinden konnte. Ein Besuch der Ausstellung zur Geschichte der Brüder-Unität (Entstehung der weithin berühmten „Losungen“) war jedoch möglich und am späteren Abend hörten wir einen gelungenen Vortrag von Dr. Peter Vogt, einem Theologen der Brüdergemeine, über „Zinzendorf – ein pietistischer Mystiker?“ Diese Themafrage wurde bejaht und mit anschaulichen Beispielen aus Texten Zinzendorfs belegt. Auch wenn es heute umstritten ist, ob bei Zinzendorf tatsächlich auch in seinen Erwachsenen-Jahren noch Einflüsse der Mystik nachweisbar sind, wird doch nach dem Zweiten Weltkrieg auch von einflussreichen Lutheranern die Mystik insgesamt positiver gesehen und gleichzeitig damit auch bei Zinzendorf mit Zustimmung eine Verbindung von lutherischer Christus-Theologie mit der Mystik wahrgenommen.

Der nächste Tag führte uns nach dem Besuch des Gottesackers, wie schon erwähnt, zum Zinzendorf-Schloss im nahegelegenen Bertelsdorf. Der dortige emeritierte Pfarrer führte uns durch das Schloss, das bis vor kurzem in einem beklagenswerten, total baufälligen Zustand war, aber seit einigen Jahren durch die Privatinitiative eines Vereins, der durch den genannten Pfarrer geleitet wird, wieder nach und nach instandgesetzt wurde und weiter restauriert werden soll.

Nach kurzer Fahrt kamen wir noch in der Mittagszeit ins nahe gelegene Görlitz, einer im Krieg gut erhaltenen Stadt im Dreiländereck Deutschland – Polen und Tschechien. Nach einem knappen Rundgang in eigener Regie bekamen wir eine engagierte Stadtführung durch ein Mitglied der deutschen Böhme-Gesellschaft, in der wir zugleich in Leben und Wirken des dortigen Mystikers, des Schusters Jakob Böhmeeingeführt wurden. Dabei machten wir auch einen Abstecher in den polnischen Teil von Görlitz, Zgorzelec, wo wir das Wohnhaus Böhmes mit einem kleinen Denkmal dieses mystischen Denkers von außen anschauen konnten. Der Grenzübertritt nach Polen geschah ohne jede Kontrolle durch das Überschreiten einer Brücke über den Grenzfluss Neiße. Wieder zurückgekehrt in unser Görlitzer Quartier hatten wir eine weitere Begegnung mit Mitgliedern der Böhme-Gesellschaft, die unsere Fragen beantworteten und uns damit diesen Denker aus einfachsten Verhältnissen noch näherbrachten (auch seinen Streit mit der lutherischen Landeskirche Sachsens).

Nach einer Gesprächs- und Austauschrunde am Abend und einem Gottesdienst am nächsten Tag, dem Sonntag, traten wir die Rückfahrt an, die uns in einer Fahrt ohne größere Zwischenhalte von Görlitz an der äußersten östlichen Ecke Deutschlands wieder fast pünktlich nach Hof, Bayreuth und Heilsbronn brachte, so dass alle noch an diesem Tag wieder ihr Zuhause erreichten.

Insgesamt waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer darin einig, dass es sich um eine sehr lohnende Reise mit einem interessanten Thema gehandelt hat, bei der auch das Zwischenmenschliche nicht zu kurz kam, so dass wir am Ende  zu einer Gemeinschaft geworden waren, obwohl am ‚Anfang viele dabei waren, die kaum jemanden aus der Gruppe kannten.

Unser Dank am Schluss galt den umsichtigen Reiseleitern, die mit allen Problemen spielend fertig wurden, und den Veranstaltern, der Evangelischen Akademie Alexandersbad und dem Evangelischen Bund Bayern.

Beitrag von Pfarrer i.R. Dr. Friedrich Winter (Mitglied im EBB)

Ansprechpartnerin

Pfarrerin Jennifer Ebert
Geschäftsführerin Evangelischer Bund Bayern e.V.

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