Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELKJHL) hat am 27. Februar 2015 eine neue Verfassung für ihr Kirchengericht verabschiedet, die künftig auch bei Familienangelegenheiten, einschließlich Erbschaftsfragen, für Gendergerechtigkeit sorgt.
Die Kirchengerichtsverfassung der lutherischen Kirche im Heiligen Land stammt aus den 1850er Jahren und entstand auf der Grundlage des osmanischen Rechts. Damals erhielt jede religiösen Gemeinschaft das Recht, sich um die Familienangelegenheiten ihrer Mitglieder zu kümmern. Im Falle von Heirat und Erbschaft, Trennung oder Scheidung gestanden die Gerichte den Eheleuten und Kindern damals jedoch nicht die gleichen Rechte zu. Frauen erhielten lediglich ein Achtel des Erbes, das Männern zugesprochen wurde, und männliche Kinder erhielten das Doppelte wie ihre weiblichen Geschwister. Mit der neuen Verfassung des ELKJHL-Gerichts haben beide Ehepartner die gleiche Verantwortung im Familienverband und alle Kinder werden gleich behandelt. Im Falle einer Trennung oder Scheidung wird die Verantwortung für die Familie und ihre Angelegenheiten gleichberechtigt unter den Eheleuten aufgeteilt. Im Erbschaftsfall sind beide Ehepartner innerhalb der Familie gleich erbschaftsberechtigt, und auch die männlichen und weiblichen Kinder erhalten einen gleichen Anteil des Erbes. Der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, befürwortete die Einrichtung des lutherischen Kirchengerichts im September 2014, in deren Folge die Kirchensynode an der Verfassung für das Gericht arbeitete. Die Entscheidungen des Kirchengerichtshofs werden vom Innenministerium durchgesetzt.
Ein Frauenkomitee der Kirche hatte sich mehr als acht Jahre der Frage der Gendergerechtigkeit gewidmet, unter anderem durch die Organisation von Frauenkonferenzen, und das Einbringen der verschiedenen Interpretationen in kirchliche Ausschüsse auf nationaler und Gemeindeebene. Dieser Druck durch das Engagement der Frauen hatte zu einer Sensibilisierung innerhalb der Kirche geführt.
Die lutherische Kirche hat nun als einzige eine Tradition verändert, an die so viele Menschen im Nahen Osten gewöhnt waren. ELKJHL-Bischof Dr. Munib A. Younan zeigte sich erfreut über dies Entscheidung: „Es ist uns miteinander klar geworden, dass die Kirche einen pastoralen Einfluss auf juristische Angelegenheiten hat, die das Leben von Familien betreffen. Unsere Rolle ist es, unsere Mitglieder dabei zu unterstützen, ihr familiäres Zusammenleben so zu gestalten, dass es auf Gerechtigkeit und Gleichheit für Männer und Frauen ebenso wie für Jungen und Mädchen beruht. Derzeit arbeiten wir daran, das Grundsatzpapier an unseren kulturellen Kontext anzupassen und ins Arabische zu übersetzen, um uns so zu helfen, über unseren eigenen Kontext nachzudenken und dabei einen Schwerpunkt auf die Gleichheit zwischen Männern und Frauen und auf häuslicher Gewalt zu legen.“
Das Kirchengericht der ELKJHL umfasst vier Mitglieder — zwei Pastoren sowie eine Rechtsanwältin und einen Rechtsanwalt, die jeweils von der Kirchensynode ernannt wurden. Dem Berufungsgericht gehören der Bischof der ELKJHL, ein Pastor sowie ein Jurist und eine Juristin an.