Zur traditionellen „Lutherstunde“ trafen sich am 18. Februar 2017 über 50 Teilnehmende zur Frage: „Papst Franziskus – ein neuer Luther?“ Der Studientag, der mit Referaten, Aussprache und Diskussion als Kooperation zwischen dem Evangelischer Bund Bayern, der Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus und dem Büro der Reformationsdekade der ELKB veranstaltet wurde, war, um mit einem Oxymoron zu sprechen, eine „Runde Sache mit Ecken und Kanten“. Die offiziell mitwirkenden und die im Saal versammelten Experten diskutierten diese Frage am Todestag des Reformators im Caritas-Pirckheimer-Haus auch hinsichtlich des laufenden Jubiläumsjahrs, in dem sich die Reformation zum 500. Mal jährt. Am 31. Oktober 1517 hat Martin Luther, wie es die Hagiographie des Reformators überliefert, seine 95 Thesen mit nachhaltiger Wirkung an die Haupttüre der Wittenberger Schlosskirche angeschlagen. Mit zwei Referaten haben Pfarrer Martin Bräuer DD., Catholica-Referent des Konfessionskundlichen Instituts in Bensheim und Dr. Florian Schuppe, Leiter des Fachbereichs Ökumene im Erzbischöflichen Ordinariat München wichtige fachliche Impulse gegeben. „Wie „protestantisch“ ist Bergoglio?“, war Bräuer gefragt. Für Schuppe hieß es in seiner Erwiderung, „Katholische Perspektiven zu Bergoglio“ darzulegen.

Das Ergebnis des Studientags: Papst Franziskus kein zweiter Luther, aber einer, der die katholische Kirche von innen reformieren und wieder auf das Evangelium zurückführen will. Zu diesem Ergebnis kommt der Ökumene-Fachmann aus München. „Franziskus wurde gewählt, um eine Reform von innen heraus durchzuführen“, betont der Referent. Der Jesuit will eine Neuausrichtung des Papstamtes, er will das Priestertum aller Getauften, er will – genau wie Luther – die Barmherzigkeit wieder in den Kern der Theologie rücken. „Da passiert derzeit etwas, das ist fast eine Bewegung wie bei Luther“, betont Schuppe und schildert ein konkretes Beispiel, an dem deutlich wird, was Franziskus will.

Konkret hat Franziskus seine Vorstellungen von Barmherzigkeit in der „Bulle Misericordiae Vultus – Verkündigungsbulle des außerordentlichen Jubiläums der Barmherzigkeit“ vom 11. April 2015 formuliert. Darin heißt es: „Barmherzigkeit – in diesem Wort offenbart sich das Geheimnis der Allerletzten Dreifaltigkeit. Barmherzigkeit ist der letzte und endgültige Akt mit dem uns Gott entgegentritt. Dieses Geheimnis der Barmherzigkeit gilt es stets neu zu betrachten. Es ist Quelle der Freude, der Gelassenheit und des Friedens. Es ist Bedingung unseres Heiles. Barmherzigkeit ist das grundlegende Gesetz das im Herzen eines jeden Menschen ruht und den Blick bestimmt, wenn er aufrichtig auf den Bruder und die Schwester schaut, die ihm auf dem Weg des Lebens begegnen“, so der Heilige Vater. Hier ergeben sich viele Parallelen zwischen Luther und Franziskus, so Schuppe.

Bei Amtsantritt, kurz nach seiner Wahl zum Pontifex, verneigt sich Franziskus vor den Gläubigen und bittet diese für ihn zu beten. Zusätzlich sieht der Argentinier und Jesuit den persönlichen Glaubensweg im Mittelpunkt: Er sieht den Glauben als inneres Erleben, fordert eine missionarische Umgestaltung der Kirche und mehr Unabhängigkeit von den kurialen Strukturen. Revolutionär sei Franziskus – ähnlich wie Luther – bei seiner Kritik an der Kurie. Er schrieb in seiner Weihnachtsansprache 2014 den Mitarbeitern der Kurie 15 geistliche Krankheiten ins Stammbuch, die überwunden werden sollen: Sich selbst unersetzlich finden, zu hart arbeiten, geistlich abstumpfen, zu viel planen, zu wenig zusammenarbeiten, spirituelles Alzheimer, sich in Rivalitäten verlieren, existenzielle Schizophrenie / ein Doppelleben führen, Terror des Geschwätzes, übermäßiges Hofieren der Vorgesetzten, Neid und Heimtücke, Pessimismus und theatralischer Ernst, Ansammlung materieller Güter, abgeschlossene Zirkel und das Streben nach Macht.

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Der Leiter des Fachbereichs Ökumene im Erzbischöflichen Ordinariat München, Dr. Florian Schuppe, bei seinem Vortrag zum Thema „Papst Franziskus – ein neuer Luther?“ im Caritas -Pirckheimer-Haus. Foto: Müller

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Es nahmen teil zur Diskussion zum Thema „Papst Franziskus – ein neuer Luther?“ im Caritas -Pirckheimer-Haus Platz (von links): Pfarrer Dr. Moritz Fischer (Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Bayern), Pfarrer Martin Bräuer (Catholica-Referent des Konfessionskundlichen Institutes Bensheim), Dr. Florian Schuppe, der Koordinator des Projektbüros zur Lutherdekade der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Christian Düfel, und der evangelische Dinkelsbühler Dekan und Vorsitzende des Evangelischen Bundes Bayern, Uland Spahlinger. Foto: Müller

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Es versammelten sich zum „Gruppenbild ohne Dame“ (von links): Spahlinger, Schuppe, Bräuer, Fischer, Düfel. Foto: Fischer

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Preisträgerin des diesjährigen Hochschulpreises des Evangelischen Bundes Bayern: Samira Rosenbaum (Bamberg). Foto: Rosenbaum

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Pfarrer Martin Bräuer (Catholica-Referent des Konfessionskundlichen Institutes Bensheim)

An der anschließenden Diskussion der Referenten, die von Pfarrer Dr. Moritz Fischer (Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Bayern) moderiert wurde, nahmen Pfarrer Martin Bräuer (Catholica-Referent des Konfessionskundlichen Institutes Bensheim), Dr. Florian Schuppe, der evangelische Dinkelsbühler Dekan und Vorsitzende des Evangelischen Bundes Bayern, Uland Spahlinger sowie der Koordinator des Projektbüros zur Lutherdekade der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Christian Düfel, teil.

In der Diskussion bestand Einigkeit, dass das Jubiläum sowohl die Auseinandersetzung in der Ökumene als auch innerhalb der jeweilige eigene Konfession befruchten kann. Immer wieder betonten die Experten das gemeinsame ökumenische Gebet von Franziskus und Vertretern des Lutherischen Weltbundes in Lund am 31. Oktober 2016.

Dort sagte Franziskus: „Wir Katholiken und Lutheraner haben begonnen, auf dem Weg der Versöhnung voranzugehen. Jetzt haben wir im Rahmen des gemeinsamen Gedenkens der Reformation von 1517 eine neue Chance, einen gemeinsamen Weg aufzunehmen, der sich in den letzten 50 Jahren im ökumenischen Dialog zwischen dem Lutherischen Weltbund und der Katholischen Kirche gebildet hat. Wir dürfen uns nicht mit der Spaltung und der Entfremdung abfinden, die durch die Teilung unter uns hervorgerufen wurden. Wir haben die Gelegenheit, einen entscheidenden Moment unserer Geschichte wiedergutzumachen, indem wir Kontroversen und Missverständnisse überwinden, die oft verhindert haben, dass wir einander verstehen konnten.“

Zur offiziellen Vergabe des „Hochschulpreises des Evangelischen Bundes Bayern für ökumenische Theologie und Konfessionskunde“ von Studierenden aus der ELKB waren für das Doppeljahr 2016/17 sechs Arbeiten eingereicht worden. Die Mehrheit der Stimmen der Fachjury fiel auf die wissenschaftliche Arbeit von Samira Rosenbaum: „Mein Wille geschehe?“ Der Sterbehilfe-Diskurs in deutschen Print-Medien. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades: Master of Arts; Sommersemester 2014 an der Friedrich-Alexander-Universität (Erlangen-Nürnberg, Abteilung Christliche Publizistik).

Leider konnte die Preisträgerin aus persönlichen Gründen nicht an der Preisverleihung (heuer EUR 500.-) am 18. Februar 2017 um 12:00 Uhr in Nürnberg teilnehmen. Sie ließ aber ihren tiefen Dank zum Ausdruck bringen und wird, sobald bis dahin hoffentlich ihr zweites Kind wohlbehalten geboren ist, einer nächsten Einladung zu einer Veranstaltung des EBB gerne folgen.

Ein Beitrag von Dr. Moritz Fischer (EBB) / Sebastian Müller (skfm)

Ansprechpartnerin

Pfarrerin Jennifer Ebert
Geschäftsführerin Evangelischer Bund Bayern e.V.

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