Begleitet von neun Vorstehern eigenständiger orthodoxer Kirchen, leitete das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, den Pfingstgottesdienst in der Kathedrale Hagias Minas von Kretas Hauptstadt Heraklion. Laut ursprünglichem Programm hätten es eigentlich 13 Kirchenführer sein sollen, aber vier von ihnen hatten kurzfristig ihre Teilnahme am „Heiligen und Großen Konzil“ der Orthodoxie abgesagt. Dabei sollte dieses unter dem programmatischen Motto „Er rief sie alle zur Einheit“ doch gerade das Gegenteil von Zerstrittenheit sichtbar machen.
Bartholomaios ging in seiner im biblischen Koine-Griechisch gehaltenen Predigt nur indirekt auf die fehlenden Glaubensbrüder ein. Die Versammlung auf Kreta repräsentiere die ganze Orthodoxie, stellte er klar. Er verwies auf zahlreiche „Irrtümer“ unterden Gläubigen, angesichts derer die kirchlicheEinheit heute umso stärker vonnöten sei. Dabei genügees nicht, die Einheit auf einer theoretischen Ebene zu behaupten, sondern es bedürfe auch einer Antwort auf der praktischen Ebene, an der es derzeit bedauerlicherweise fehle. „Unsere kirchliche Einheit hat nicht die Form einer Föderation, sie stammt auch nicht von der Versammlung um eine sterbliche Person. Vielmehr geht sie aus von unserem gemeinsamen Glauben und wird durch ihn vollendet; dieser ist gleichbedeutend mit Erlösung und ewigem Leben“, schrieb der Ökumenische Patriarch den Abweichlern ins Stammbuch. Die gemeinsame Eucharistiefeier bekräftige die „Einheit und Katholizität der orthodoxen Kirche“. Weiter meinte Bartholomaios I., jede orthodoxe Kirche sei über alle Unterschiede hinweg genauso wie jeder gläubige orthodoxe Christ „zu einem Leib vereint, jeder mit seinen eigenen Gaben“. Deshalb solle man nicht mit Misstrauen oder Zorn auf andere schauen, sondern sich über sie freuen wie über die eigenen Gaben.
Im Blick auf das Konzil sprach der Patriarch von einem „historischen Moment“. „Ungeachtet unserer unterschiedlichen Meinungen sollten wir orthodoxen Christen deutlich machen, dass unser einziger Weg in dieser Welt die Einheit ist.“ Dieser Weg verlange selbstverständlich Opfer, viel Arbeit und werde nach heftigen  Auseinandersetzungen erreicht. „Gewiss wird dieses unser Konzil seinen Beitrag in diese Richtung leisten, indem es ein Klima des gegenseitigen Vertrauens und Verständnisses schafft“, so Bartholomaios unter Hinweis auf eine Versammlung „im Heiligen Geist“ sowie auf einen aufbauenden und offenen Dialog.
Denjenigen, die diesen Dialog verweigerten, gab der Patriarch ein kleines, aber unmissverständliches Signal: Beobachtern fiel auf, dass er bei der Kommemoration der Patriarchen und Erzbischöfe der autokephalen (eigenständigen) Kirchen während des Hochgebets von der Reihenfolge in den Diptychen abwich und zunächst die anwesenden Vorsteher nannte und erst anschließend die abwesenden.
Die Kirchen, die kurzfristig eine Verschiebung des Konzils gefordert hatten, begründeten dies mit Kritik an der Verfahrensordnung und inhaltlichen Einwänden gegen die zur Beratung stehenden sechs Vorlagen über innerorthodoxe Fragen sowie das Verhältnis zu anderen Kirchen und die Weltverantwortung der Orthodoxie. Besonders schmerzhaft war der Rückzieher der russisch-orthodoxen Kirche, zu der mehr als die Hälfte aller orthodoxen Christen weltweit gehören.  Die Position des Moskauer Patriarchen Kyrill I., nach der Absage von drei Kirchen handele es sich Patriarch mahnt zur Einheit Orthodoxe Kirche eröffnet Konzil trotz Absagen nicht mehr um ein „allorthodoxes Konzil“, stößt bei den auf Kreta versammelten Bischöfen auf wenig Verständnis. Vielmehr werden Verschwörungstheorien verbreitet: Moskau habe seine „Vasallen“ in Bulgarien, Georgien und Syrien (Patriarchat Antiochia) zu den Absagen verleitet, um damit seinerseits einen Grund zu haben. Letztlich sei Kyrill I. nicht gegen ein Konzil, wolle aber, dass es nach seiner Pfeife tanze. Noch am 17. Juni ärgerte der Moskauer Patriarch in einem angeblich rührend um die Einheit der Orthodoxie bemühten Schreiben die in Kreta versammelten Hierarchen damit, dass er ihr Treffen lediglich als „Versammlung“ bezeichnete. Die „Kleine Synaxis“ der Vorsteher auf Kreta wiederum äußerte ihren „Schmerz“ über die Abwesenheit – in dieser Reihenfolge – des „Patriarchats von Antiochia und der Kirchen von Russland, Bulgarien und Georgien“ und appellierten abermals an deren Vorsteher, ihre Entscheidung doch noch zu überdenken. Dieser Aufruf war dem Vernehmen nach ein besonderer Wunsch der serbischen Delegation, die nach einer zunächst verkündeten Absage überraschend doch nach Kreta gekommen war. Die Kirchenleitung hatte allerdings angekündigt, die Delegation werde das Konzil wieder verlassen, sollte die Kirchenversammlung die aufgeworfenen Streitfragen ausklammern. Ob sie abreise, hänge zudem davon ab, inwieweit die an der Synode teilnehmenden Kirchen an ihrem Standpunkt festhielten, die abwesenden Kirchen würden „ohne wirklichen Grund die Arbeit des Konzils boykottieren“. Dabei handele es sich keineswegs um eine „Drohung“, sondern um die konsequente Umsetzung einer Entscheidung der Bischofsversammlung der serbischorthodoxen Kirche aus dem vergangenen Monat, betonte Patriarch Irinej in seiner Erklärung nach einer Sitzung des Heiligen Synod. Auf Kreta solle ein „konziliarer Prozess“ beginnen. Die „Heilige und Große Synode“ solle alle Kriterien eines wahren Konzils erfüllen und ihrem Namen gerecht werden. Nach der „Kleinen Synaxis“ war von einer Abreise der Serben keine Rede mehr –  offenbar waren sie mit deren Verlauf zufrieden. Von den anderen Kirchen erschien – entgegen dem Gerücht, Moskau wolle noch einen „Beobachter“ entsenden, dann doch niemand mehr.
Ungeachtet des Boykotts behält das Konzil aus Sicht der Teilnehmer seinen Rang. Der Pressesprecher des Ökumenischen Patriarchats, ErzdiakonJohn Chryssavgis, sprach den Kirchen, die nicht nach Kreta kommen, schlicht das Recht ab, „das Ergebnis diktieren“ zu können. Es sei eine „grundlegende Annahme des internationalen Rechts, dass jede Partei, die sich weigert, an den Tisch zu kommen, ihr Recht aufgibt, bei der Abstimmung berücksichtigt zu werden“. Auch die zur Eröffnungs- und Schlussversammlung eingeladenen „Beobachter“ aus der Ökumene sehen offenbar keinen Grund, nach den Absagen ebenfalls ihre Flüge zu stornieren. Unter ihnen sind der vatikanische „Ökumeneminister“, Kardinal Kurt Koch, der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sowie Vertreter des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) und der Kirchen der Reformation. Nur der ÖRK-Generalsekretär Olav Fykse Tveit war beim Pfingstgottesdienst Gast in der Kathedrale von Heraklion, denn er musste weiter nach Norwegen zur Tagung des ÖRK-Zentralausschusses reisen und konnte beider eigentlichen Konzilseröffnung nicht dabei sein.
Unter den mehr als 170 Konzilsteilnehmern sind auch drei Mitglieder der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland: ihr Vorsitzender, der griechisch-orthodoxe Metropolit Augoustinos (Patriarchat Konstantinopel), der rumänisch-orthodoxe Metropolit Serafim und der serbisch-orthodoxe Bischof Sergije.
Für die russische Delegation, die kurzfristig abgesagt hat, war auch der in München residierende Erzbischof Mark nominiert. Die Delegationen bestehen aus dem jeweiligen Primas und bis zu 24 weiteren Bischöfen. Nicht jede der orthodoxen Kirchen hat allerdings so viele Bischöfe – in Tschechien und der Slowakei sind es nur drei, in Polen vier. Deshalb kommen bei den zehn Delegationen keine 250 Mitglieder zusammen. Nur zwei Kirchen haben unter den bis zu sechs „Beratern“ der Delegationen auch Frauen berufen: die von Albanien und das Patriarchat von Konstantinopel.

Norbert Zonker
kna
Ökumenische Information 25
21. Juni 2016