Zwei Wochen vor Beginn des Panorthodoxen Konzils auf Kreta, das am 17. Juni 2016 nach mehr als 50-jähriger Vorbereitung beginnen soll, schreckte eine Meldung aus Sofia die orthodoxe Kirche auf: Das Leitungsgremium der bulgarisch-orthodoxen Kirche forderte eine Verschiebung der „Großen und Heiligen Synode“ – anderenfalls wolle man ihr fernbleiben. Wie ist die Drohung einzuschätzen, welche Folgen hätte eine Nichtteilnahme der bulgarischen Delegation?
Fragen, denen sich eine Tagung der Gesellschaft zum Studium des Christlichen Ostens in München widmete. Die seit 2001 bestehende Arbeitsgemeinschaft von wissenschaftlichen Instituten und Einzelpersonen aus dem deutschen Sprachraum hatte ihre Jahrestagung unter das Thema „Die Orthodoxie am Vorabend der Panorthodoxen Synode“ gestellt. Nun kam den Experten der Austausch über die komplizierte Gemengelage gerade recht. Denn klar ist: So erwünscht und erforderlich das seit Jahrzehnten vorbereitete Konzil ist, so umstritten sind die Details der Geschäftsordnung und der zur Abstimmung stehenden Vorlagen zu innerorthodoxen Themen und zur nichtorthodoxen Welt.
Der Wiener serbisch-orthodoxe Bischof Andrej Cilerdzic, selbst einer der 24 Bischöfe der serbischen Delegation für Kreta, gab ein ungeschminktes Bild der Diskussion auf der jüngsten Bischofssynode seiner Kirche. Einerseits wurde das Konzil als „Pfingstereignis“ begrüßt, das eine Neuevangelisierung in Gang bringen solle. Andererseits wurde vielfältige Kritik geübt: So werde durch die  Geschäftsordnung,nach der jede der 14 eigenständigen (autokephalen) Kirchen mit maximal 24 Bischöfen sowie ihrem Vorsteher vertreten ist, jede Delegation nur eine Stimme hat und Beschlüsse nur im Konsens, also einstimmig, gefasst werden können, die Rolle und der Status des Bischofs in Frage gestellt. Die vorbereiteten Texte seien inhaltlich schwach und sparten wesentliche Themen aus. Groß ist die Sorge, dass das Konzil am Ende nicht, wie beabsichtigt, die Einheit der Orthodoxie zum Ausdruck bringen, sondern als „Konföderation von 14 autokephalen Kirchen“ in Erscheinung treten werde.
Trotz dieser Vorbehalte, die so oder ähnlich auch aus anderen Kirchen zu hören sind, wäre eine Absage der Versammlung nach Auffassung des Wiener Bischofs „destruktiv“. „Wir müssen jetzt das Beste daraus machen, entscheidend ist am Ende ohnehin die Aufnahme und Bestätigung durch das Volk“, so Cilerdzic. Auch für den Athener Bischof Kyrillos Katerelos kommt ein Rückzug zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Frage. Das Konzil müsse „wenigstens einige Beschlüsse fassen, die keine neuen Probleme erzeugen“, meinte er. Einer der Gründe für die Krise in der Orthodoxie ist aus seiner Sicht ein verbreiteter „Ethnonationalismus“, der partikulare Interessen vertritt und die Kircheneinheit gefährdet.
Der rumänische Theologe Viorel Ionita zeigte sich verwundert über die jetzt so heftigen Einwände aus mehreren Kirchen. „Die Entwürfe sind teilweise seit Jahrzehnten bekannt. Alle Bischöfe hätten die Gelegenheit gehabt, sich frühzeitig dazu zu äußern“, meinte er. Im Blick auf die Bulgaren erklärte er, es gebe „keinen theologischen Grund“, nicht nach Kreta zu kommen. In diesem Fall müsse die Versammlung der Vorsteher (Synaxis) vor Eröffnung des Konzils das weitere Vorgehen beschließen.
Bischof Katerelos erwartet letztlich keine Probleme, „wenn die Bulgaren nicht kommen oder sich enthalten“. Wenn sie hingegen mit Nein stimmten, könnten sie alles blockieren. Der Gründer und langjährige Leiter der Orthodoxen Akademie von Kreta – wo das Konzil tagt –, Alexandros Papaderos, brachte die Perspektive der Basis
ein. „Das ganze Volk auf Kreta ist in großer Erwartung“, berichtete er. Diese Hoffnungen dürften jetzt nicht enttäuscht werden. Wichtig sei dabei das Geschehen des Konzils selbst, nicht einzelne Dokumente. Der Münchner orthodoxe Theologe Athanasius Vletsis, der die Tagung vorbereitet hatte, sprach in seinem Resümee von einem Lernprozess der Orthodoxie. Dies gelte nicht nur für Verfahrensfragen, sondern auch für eine Form der Glaubensverkündigung, die „verständlich in der Welt“ sei. Im Blick auf das Konzil meinte er: „Es ist das, was jetzt möglich ist. Mehr war nicht drin.“ Eine Absage wäre für ihn schlicht „eine Katastrophe“.

kna – Norbert Zonker, Ökumenische Information 23/KA