Beißender Gestank liegt in der Luft, Müllberge stapeln sich, Kinder weinen, einige Menschen verrichten ihre Notdurft: In Röszke an der ungarisch-serbischen Grenze drängten Tausende Flüchtlinge in die Europäische Union, bis Ungarn den Grenzzaun ganz schloss. Während sich am Sammelpunkt auf ungarischer Seite eine lange Schlange mit Hunderten von Flüchtlingen bildete, die auf ihre Weiterfahrt mit dem Bus warteten, sah man von weitem schon unzählige weitere Flüchtlingsgruppen näherkommen.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm, reiste am 13. und 14. September durch Ungarn und Serbien, um sich ein Bild von der dortigen Lage zu machen. Eine Station seiner Reise war Röszke. Begleitet wurde er unter anderem von Cornelia Füllkrug-Weitzel, der Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe.
Abschottung, egal ob in Ungarn oder in Deutschland, halten beide für das falsche Mittel in der Flüchtlingspolitik. „Wer verzweifelt ist, findet seinen Weg. Wenn man in Ungarn diesen Zaun baut, dann werden die Menschen sich andere Routen nach Europa suchen“, sagt Bedford-Strohm.
Nach einem Rundgang durchs Lager ist dem Ratsvorsitzenden und Füllkrug-Weitzel die Fassungslosigkeit anzumerken. Das zu sehen sei bedrückend, sagt der Landesbischof. Und Füllkrug Weitzel kritisiert: Ungarn komme in keiner Weise seinen Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und den EU-Bestimmungen nach. Die Regierung kümmere sich nicht darum, dass die Flüchtlinge mit dem Nötigsten versorgt würden, Flüchtlingeetwa mit Essen und Trinken. Sie überlasse diese Aufgabe ausschließlich privaten Initiativen, also Ehrenamtlichen.
Dann laufen die beiden auf den Gleisen entlang, den ankommenden Flüchtlingen entgegen. Viele sind erschöpft, einige freuen sich aber sichtlich, die Grenze zu Ungarn passiert zu haben. Von allen Seiten schallt ihnen ein „Hello“ entgegen oder ein „How are you?“. Viele Flüchtlinge wollen wissen, was nun passiert, ob die ungarische Polizei sie gut behandelt und ob es sich lohnt, nach Deutschland zu gehen. „Ihr habt ja schon so viele aufgenommen“, sagt Hamed Mohammedi, ein 20-jähriger Afghane, der zusammen mit seiner Mutter aus dem Iran geflohen ist.
Bedford-Strohm will den Menschen keine falschen Hoffnungen machen: In Deutschland sei die Situation sehr schwierig, weil schon so viele Flüchtlinge gekommen seien und es die Deutschen allmählich mit der Unterbringung nicht mehr schafften. Es sei nicht möglich, dass alle nach Deutschland kommen. Hamed Mohammedi sagt kurzerhand, dass er dann eben in Österreich bleibe, das sei auch ein schönes Land. Akrem Abdullah aus Syrien nickt zwar verständnisvoll, ruft dann aber weiter „Germany, Germany“ und „Angela Merkel is our Mama“. Deutschland bleibt sein Paradies.
Bereits vor zwei Jahren besuchte der damalige EKD- Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider syrische Flüchtlinge in Jordanien. Nun reiste sein Nachfolger HeinrichBedford-Strohm nach Ungarn und Serbien – wo Tausende um ihre Weiterreise nach Mitteleuropa kämpfen. Die hohen Zahlen von Asylsuchenden haben teilweise krisenhafte Überforderungssituationen ausgelöst. In diesen Wochen verhandelt die Bundesregierung deshalb unter Hochdruck mit den Ländern über zusätzliche Mittel zur Unterstützung der Kommunen und über ein großes Gesetzespaket. Für die EKD hält der Bevollmächtigte des Rates, Prälat Dr. Dutzmann, einen engen Kontakt. Zu den im Paket enthaltenen
Abschreckungsmaßnahmen wie der Verlängerung der Pflicht Asylsuchender, in Erstaufnahmeeinrichtungen zu verbleiben, der Wiedereinführung der Residenzpflicht für diesen Zeitraum, der Absenkung von Leistungen für bestimmte Gruppen und die Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten hat er sich kritisch geäußert. Für den 17.9. hat das Bundesinnenministerium zu einem Austausch eingeladen, am 29.9. will sich die Bundeskanzlerin mit Kirchen, Verbänden und NGOs treffen. Bundestag und Bundesrat werden sich im Oktober mit dem Entwurf befassen.
Weiterführende Links
EKD:
• www.ekd.de/fluechtlinge
Diakonie:
• www.diakonie.de/fluechtlinge
• www.diakonie.de/engagement-fuer-fluechtlingewo-
sie-helfen-koennen-16482.html