Die orientalisch-orthodoxen Kirchen sind in Deutschland immer noch kaum bekannt. Dies hängt unter anderem auch damit zusammen, dass die meisten von ihnen schon in ihren Heimatländern eine Minderheit sind, umso mehr aber leben sie als Minderheiten in Europa und in Deutschland. Zur Kirchenfamilie der orientalisch-orthodoxen gehören die Armenisch-Apostolische Kirche, die Syrisch-Orthodoxe Kirche, die Koptisch-Orthodoxe Kirche sowie die Äthiopisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche, die Eritreisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche und die Malankara Orthodox-Syrische Kirche.

Da sie praktisch alle auf der ganzen Welt recht verstreut sind, erleben ihre Gläubigen die Krise auch unterschiedlich, je nach  Restriktionen, die im jeweiligen Land gelten: Viele syrisch-orthodoxe Gemeinden z.B. sind in Schweden, wo generell eine andere Politik gegenüber dem Virus gefahren wird und daher weniger strenge Regeln gelten, als im übrigen Europa. Die Syrisch-Orthodoxe Kirche hat dennoch ihre Gläubigen aufgefordert, möglichst zu Hause zu bleiben. Auch in Syrien, dem Mutterland dieser Kirche, wo sich auch der Sitz des Patriarchen befindet, gibt es weniger Auflagen als hierzulande. Das Patriarchat hat aber schon am 10.März einen Brief an seine Gläubigen verfasst, der in den Gemeinden auf Arabisch verlesen und auch auf Englisch veröffentlicht wurde. Darin wird die Wichtigkeit der Teilnahme am eucharistischen Gottesdienst (aramäisch: Qorobo) jeden Sonn- und Feiertag hervorgehoben. Kirchen sollen deswegen geöffnet bleiben, sofern es nicht von staatlicher Seite untersagt ist. Dabei sollen jedoch Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden wie beispielsweise das Installieren von Desinfektionsapparaten. Ikonen sollen nicht geküsst werden, andere Menschen nicht berührt werden. Wer Krankheitssymptome hat, soll zu Hause bleiben. Ein Priester kann auf Anfrage die Kommunion zu Gläubigen nach Hause bringen. Statt des Händeschüttelns beim Friedensgruß wird vorgeschlagen, sich voreinander verbeugen. Das Bischofskreuz soll nicht geküsst werden, auch hier kann der Respekt vor dem Amt durch Beugen des Kopfes ausgedrückt werden. Besonders ausführlich wird das Verhalten beim Empfangen der Kommunion behandelt, da sie eine zentrale Bedeutung in der syrisch-orthodoxen Theologie hat. „Wir glauben fest, dass der Heilige Leib und das Heilige Blut unseres Herrn Jesus Christus eine Quelle der körperlichen und geistlichen Heilung ist. Dennoch kann man die Art und Weise, wie die Kommunion empfangen wird, überprüfen, um nicht zur Verbreitung der Krankheit beizutragen“, schreibt Patriarch Mor Ignatius Ephräm II. Karim. Während üblicherweise die Mundkommunion praktiziert wird, weist er in diesem Brief eindringlich darauf hin, dass es in der frühen Syrischen Kirche Brauch war, die Kommunion in die Hand zu erhalten (Dabei ist das Brot mit etwas Wein getränkt). Dies ist für Christen westlicher Kirchen, insbesondere Protestanten, normal, bedeutet aber für Syrische Christen zunächst eine Überwindung, da sie gelernt haben, dass das heilige Sakrament nicht mit bloßen Händen berührt werden darf. Um diese Praxis den Gläubigen nahe zu bringen, wird auf einen der wichtigsten Kirchenväter der Syrisch-Orthodoxen Kirche hingewiesen, Ephräm den Syrer (ca. 306-373, in dessen Werken die Handkommunion bezeugt ist.

Für etliche Gläubige und auch Kleriker war dies zunächst schwierig zu akzeptieren, wie Erzbischof Mor Polycarpus vom Kloster Glane in den Niederlanden berichtet. Aber spätestens als bekannt wurde, dass in Schweden aufgrund der lockeren Praxis etwa 100 Gemeindeglieder der Syrisch-Orthodoxen Kirche aufgrund ihrer Teilnahme am Gottesdienst infiziert wurden und starben, war klar, dass die von vielen Staaten verordneten Vorsichtsmaßnahmen sinnvoll waren und die Kirchenleitungen z.B. in Deutschland und den Niederlanden recht hatten, ihnen zu folgen.

In den Niederlanden blieben – obwohl von staatlicher Seite Gottesdienste mit ca. 30 Personen zugelassen sind – die syrisch-orthodoxen Kirchen auf Anordnung des Erzbischofs geschlossen.   Liturgiefeiern wurden vom Ortspriester zusammen mit max. 10 Diakonen gefeiert und per livestream übertragen.  Der Erzbischof appelliert an die Solidarität seiner Gläubigen mit denen, die durch das Virus gefährdet sind und hat damit offenbar Erfolg.