Am Mittwoch, dem 26. Juni 2024, empfing der Präsident des Evangelischen Bundes, Dr. Christian Schad, Mitglieder des Evangelischen Arbeitskreises der CDU Bergstraße. Dieser versteht sich als Forum an der Nahtstelle zwischen Kirche und Politik und bat Christian Schad um einen Vortrag im Bensheimer Wolfgang-Sucker-Haus zu dem Thema: „Kirche wozu? Perspektiven in herausfordernder und unübersichtlicher Zeit“.
Scharf analysierte Präsident Dr. Schad die gegenwärtige weltpolitische Lage und ging auf die Herausforderungen der bundesrepublikanischen Gesellschaft sowie der Kirchen in ihr ein. Angesichts der institutionellen Krise auch der Kirchen meinten heute viele, man könne auch Christ bzw. Christin sein ohne Kirche. Dies jedoch bezweifelt Christian Schad. Denn Glaube und Hoffnung zu bewahren, sei zu schwer für den Einzelnen. Sie könnten nicht durchgehalten werden ohne die Kirche als Institution der Vergemeinschaftung, ohne ihre sakralen Räume, ohne die Wunder ihrer Musik und ihrer Kunst, ohne ihre vielfältigen Gesellungsformen, ihre Riten und Symbole, ihre Rhythmen und Gesten, ohne die Menschen vor und neben uns, diese Gemeinschaft der Glaubenden, innerhalb derer dann allerdings dem Ich des Glaubenden eine gar nicht hoch genug zu veranschlagende Bedeutung zukomme. Kirche sei der Ort des geteilten Mutes und des geteilten Zweifels, der das Versprechen, das allen Menschen gelte, wachhalte, dass wir als endliche und fragmentarische Geschöpfe in der Hand des gnädigen Schöpfers gewürdigt seien.
Für den Zusammenhalt in einer pluralistischen Gesellschaft, geprägt von sozialer, kultureller und religiös-weltanschaulicher Vielfalt, seien, so Schad, wechselseitiger Respekt und Toleranz unverzichtbar. Toleranz freilich nicht verstanden als indifferente Haltung aus Beliebigkeit, sondern Toleranz aus Überzeugung. Sie aber setze voraus, dass Menschen zu dem stehen, was ihnen im Innersten wichtig ist, um gerade deshalb auch achtungsvoll mit dem umzugehen, was Anderen wesentlich ist. Toleranz als das Erdulden eines anderen Wahrheitsanspruches sei also nur dort möglich, wo sie in der eigenen Wahrheitsgewissheit begründet sei. Schon allein deshalb sei es wichtig, dass Kirche heute Gesicht zeige, Rede und Antwort stehe und also öffentlich, in Wort und Tat, den Gott bezeuge, der Mensch wurde, um uns Menschen menschlich zu machen. Denn, so Christian Schad: „Die Wahrheit Gottes und das Wahrmachen des Menschen sind eins!“
Im Rückbezug auf den Apostel Paulus, der seiner Gemeinde in Rom gewünscht hat, dass der „Gott der Hoffnung“ sie erfülle, auf dass „ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes“ (Römer 15, 13), machte der Präsident des Evangelischen Bundes Mut, angesichts von Skepsis und Resignation die biblischen Bilder der Hoffnung und die ihnen entsprechenden Taten, die schon jetzt Zeichen, Vorspiel des Reiches Gottes seien, konkret werden zu lassen: „Hoffnung zu vermitteln in unübersichtlicher Zeit, dies schulden wir unserer Gegenwart und: auf der Seite der Demokratie zu stehen, dieser politischen Lebensform der Freiheit!“, war das Plädoyer Christian Schads. Dies nämlich sei der aktuelle Sinn des Satzes von Alexis Toqueville, dieses Vordenkers der Demokratie vor 200 Jahren, der lautet: „Despotismus kommt ohne Glauben aus, die Freiheit nicht.“
Im Anschluss an den Vortrag entwickelte sich eine angeregte Diskussion. Ihr Tenor war: Auch in einer Minderheitensituation sollten sich Christinnen und Christen nicht aus der Öffentlichkeit zurückziehen, sondern offen und dialogisch die zuweilen anstößige und zugleich menschen- und schöpfungsgemäße Perspektive des christlichen Glaubens je neu in die gesellschaftlichen Debatten einspielen.
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