UkraineZum dritten Jahrestag des Überfalls Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2025 gibt Dr. Dagmar Heller, Orthodoxie-Referentin unseres Konfessionskundlichen Institut, einen Überblick, wie sich die Situation in der Ukraine derzeit darstellt, und welche Perspektiven sich für die Zukunft abzeichnen. Außerdem wirft sie einen Blick in die orthodoxe Kirche des Aggressorlandes.

Nachdem viele zunächst dachten, der ‚Spuk‘ wäre schnell wieder vorbei, steht man heute vor einem zerstörten Land, vor Tausenden von gefallenen Soldaten, vor zerrissenen Familien, deren einer Teil geflüchtet ist, mit anderen Worten: vor einem Land, das vom Krieg tief gezeichnet ist.

Gewissermaßen im Schatten des Krieges hat sich auch die kirchliche Landschaft verändert, jedenfalls was die Orthodoxie angeht. Hier soll ein Überblick gegeben werden, wie sich die Situation derzeit darstellt, und welche Perspektiven für die Zukunft sich abzeichnen. Außerdem soll auch ein Blick in die orthodoxe Kirche des Aggressorlandes geworfen werden.

Die Lage der UOK innerhalb der Ukraine und in der Gesamtorthodoxie
Deutlich festzustellen ist, dass der Krieg die bereits vorher bestehenden Spannungen zwischen der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) und der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) verschärft hat. Denn obwohl sich die UOK auf offizieller Ebene gleich zu Beginn deutlich gegen den Krieg geäußert, Patriarch Kyrill kritisiert und sich bereits im Mai 2022 vom Patriarchat von Moskau losgelöst hat, wurde ihr von Seiten der OKU, aber auch in der ukrainischen Gesellschaft generell immer wieder vorgeworfen, russlandfreundlich zu sein oder gar mit dem Feind zu kooperieren. Auch wenn es einzelne Bischöfe und Kleriker gab und z.T. noch gibt, auf die das zutrifft, kann dieser Vorwurf nicht generell auf die gesamte Kirche übertragen werden. Gleichwohl ist der Leitung der UOK anzulasten, – und dieser Vorwurf kommt auch aus internen Kreisen dieser Kirche – , die Abgrenzung zum Moskauer Patriarchat und die Abtrennung der Kirche nicht beherzt und konsequent genug durchgeführt zu haben. Daher hat diese Kirche auch derzeit einen kirchenrechtlich ungeklärten Status: Sie hat sich von Moskau unabhängig erklärt, hat aber keinen Autokephalie-Status (in der Orthodoxie die Bezeichnung für völlige Unabhängigkeit einer Kirche). Sie ist zwar als kanonisch von allen orthodoxen Kirchen anerkannt, aber das Patriarchat von Moskau betrachtet sie weiterhin als eine autonome Kirche innerhalb seiner Jurisdiktion; wie andere orthodoxe Kirchen ihren Status verstehen, ist unklar. In der Ukraine selbst steht diese Kirche unter starkem Druck auch von staatlicher Seite, nachdem im August 2024 ein Gesetz verabschiedet wurde, das in seiner Konsequenz auf ein Verbot der UOK hinausläuft.

Perspektiven für die Zukunft
Inzwischen beobachtet die Welt, wie der amerikanische Präsident Trump den Krieg in der Ukraine beenden will. Details sind derzeit noch nicht klar, letztlich haben die bisher bekannten Vorschläge allerdings den Effekt, dass die Bevölkerung verunsichert ist. Aus diesem Grund sind auch keine offiziellen Äußerungen von Seiten der beiden orthodoxen Kirchenleitungen bekannt. Es gibt auf Seiten einiger Anhänger der UOK die Hoffnung, Trumps ‚Bündnis‘ mit Putin könnte letztlich zu einer Aufhebung des genannten Gesetzes führen. Dies würde allerdings gleichzeitig dem Image dieser Kirche in der ukrainischen Gesellschaft nicht weiterhelfen und daher wohl auch die Beziehungen der UOK zur OKU nicht verbessern.

Und was macht die Russische Orthodoxe Kirche?
An der Entwicklung hin zu dieser Situation hat auch das Patriarchat von Moskau einen großen Anteil. Hätte es schon vor Jahren den Autokephaliebestrebungen in der Ukraine stattgegeben, sähe heute die Konkurrenzsituation zwischen verschiedenen orthodoxen Kirchen sicher anders aus. 2018, als das Patriarchat von Konstantinopel eine neue, autokephale orthodoxe Kirche in der Ukraine gründete, war es dann zu spät. Schließlich hat der Patriarch von Moskau den Krieg gegen die Ukraine von Anfang an voll unterstützt und religiös-ideologisch unterfüttert. Vor der Realität der UOK in der Ukraine, ihrer Opposition gegen den Krieg und ihrer Distanzierung von Moskau verschließt der Patriarch die Augen und erhebt weiterhin den Anspruch, für die UOK sprechen zu können. Das hilft dieser Kirche in ihrer derzeitigen Situation nicht im geringsten.

Gleichzeitig muss man aber auch wahrnehmen, dass es innerhalb der ROK durchaus Widerstand gegen die Kriegstreiberei des Patriarchen gibt. Relativ früh haben sich ca. 300 Kleriker der ROK in einem offenen Brief gegen den Krieg ausgesprochen. Einige Priester haben sich geweigert, ein vom Patriarchen vorgeschriebenes Gebet zu beten bzw, haben Sätze wie „wir beten für den Sieg“ umformuliert in: „Wir beten für den Frieden.“ Und mussten daher mit dem Entzug ihres Amtes büßen. Eine ganze Reihe Priester (und auch kirchlich engagierte Laien) haben das Land verlassen und sind teilweise in die Jurisdiktion des Patriarchats von Konstantinopel gewechselt. Nun wurde zum russisch-orthodoxen Weihnachtsfest am 7. Januar 2025 ein wichtiger „Aufruf von Geistlichen und Laien der Russischen Orthodoxen Kirche, die zwar in Russland bleiben, aber den Krieg ablehnen“ in Umlauf gebracht, der dezidiert die Position des Patriarchen als unvereinbar mit dem christlichen Glauben und der Heiligen Schrift darstellt. Er wurde anonym veröffentlicht, da es für die Autoren zu gefährlich ist, damit öffentlich aufzutreten. Der Text ist in deutscher Übersetzung unter folgendem Link zu finden: https://noek.info/hintergrund/3646-christus-und-dem-evangelium-treu-bleiben?idU=2

DH/TN

Ansprechpartnerin

Pfarrerin Dr. Dagmar Heller
Leiterin des Konfessionskundlichen Instituts, Referentin Orthodoxie

Telefon

06251.8433.19